Verfasst am 10.04.2021 um 09:17 Uhr

Gemeinsam sind wir stark – seit 120 Jahren    

Vor 120 Jahren – also im Jahre 1901 – hatten die Berliner Kleingärtner mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen: Da waren die Grundstückseigentümer, die ständig die Pachtpreise erhöhten, da waren die Generalpächter, die die Pächter immer aufs Neue erpressten, und da war der Magistrat, der dies alles zuließ. Somit standen die Gartenfreunde vor der Alternative: das alles hinnehmen mit der Gewissheit, künftig mit immer höheren Ausgaben belastet zu werden, und mit der Perspektive, dass ihre Parzelle in absehbarer Zeit Bauland werden würde – oder den Widerstand organisieren! Das war aber nur durch einen engen Zusammenschluss aller Betroffenen möglich.


So kamen die Kleingärtnervereine zur Beratung zusammen und gründeten im Februar 1901 die „Vereinigung sämtlicher Pflanzervereine Berlins und Umgegend“. Damit war die Grundlage für die weitere Entwicklung des Berliner Kleingartenwesens in organisierter Form und für die spätere Entwicklung des Landesverbandes geschaffen. Der Vereinigung gelang es in den weiteren Jahren – besonders in der Weimarer Republik –, die Gewinnsucht der Grundstückseigentümer einzuschränken, die Generalpächter zu entmachten und den Magistrat zum gemeinsamen Handeln zu bewegen. Eine Erfolgsgeschichte! Mehr zur Vorgeschichte der Gründung lesen Sie auf Seite 10 in dieser Ausgabe.


Heute sieht die Welt der Berliner Kleingärtnerinnen und Kleingärtner ganz anders aus als vor 120 Jahren. Der Wucher mit Pachtpreisen und die Willkür der Generalpächter sind Geschichte. Doch dafür stehen wir vor neuen Herausforderungen: Unsere Gärten in der Großstadt sind vielfach in Gefahr. In der Immobilienbranche herrscht Goldgräberstimmung, und nicht wenige Akteure halten unsere Parzellen für schlichtweg entbehrlich und wollen Stadtgrün in Betongold verwandeln.


Wir alle wissen, dass zusätzlicher Wohnraum und öffentliche Bauten in Berlin dringend benötigt werden. Aber wo gebaut werden darf und wo nicht, ist trotz aller Zwänge eine Frage politischer Prioritäten. Dass grüne Oasen geräumt werden, während andere innerstädtische Flächen mit Großparkplätzen und Gewerbehallen versiegelt sind, das können wir nicht zulassen.


Deshalb müssen wir Gartenfreunde heute wieder unsere Stimme erheben und unseren Einfluss geltend machen – wie vor 120 Jahren. Das können wir nur, wenn sich Berlins 70.000 Pächter auf gemeinsame Ziele einigen. Die Geschichte lehrt uns: Gemeinsam sind wir stark! Das gemeinsame Handeln der Berliner Gartenfreunde, ihrer Vereine und Verbände, ist die beste Garantie, Angriffe abzuwehren und den lebensnotwendigen Erhalt des Kleingartenwesens zu sichern.


Prof. Alfred Loesdau

Kommission Chronisten/Verbandsgeschichte des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde




Dieser Textbeitrag erschien auch als Vorwort in der April-Ausgabe 2021 der Verbandszeitschrift ‚Berliner Gartenfreund‘.