Geschichte

Zur Entwicklung der Kleingartenbewegung in Berlin

Kleine Gärten - zusammengefasst in Gruppen und sonstigen Organisationsformen oder sogenannte Patronate - gab es bereits am Beginn des       19. Jahrhunderts. Gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts entstanden sie verstärkt im Umfeld der anwachsenden Städte. Während sich der Ursprung der sogenannten Schreberbewegung in Leipzig befand und in Sachsen Naturheilvereine gegründet wurden, bezieht sich die Entwicklung in Berlin auf zwei Linien, die Laubenkolonisten und die Kleingartenanlagen des Deutschen Roten Kreuzes.

Laubenkolonisten und Rot-Kreuz-Gärten

Gemeinsam ist beiden Berliner Linien, dass von Anfang an Kleingärten angelegt wurden und diese auch im Zentrum allen vereinspolitischen Denkens und Handelns standen. Sie unterschieden sich jedoch darin, dass die Laubenkolonisten, vor allem Arbeiter in Selbsthilfe, auf Brachland Parzellen erstellten und dort Grobgemüse überwiegend in einjähriger Fruchtziehung anbauten und einfache Unterstände oder Lauben errichteten. Dagegen wurden Kleingartenanlagen durch das Rote Kreuz, anknüpfend an die Erfahrungen mit Armengärten, für Arbeiter und sonstige bedürftige Berliner angelegt.

Die Berliner Laubenkolonisten gehen auf die sogenannten Pflanzer zurück. Der für diese Bewegung typische Anbau von Kartoffeln und der Bau einfacher Baracken waren nicht nur Sehnsucht nach dem verlorengegangenen Leben auf dem Lande, sondern vielmehr auch Mittel zu einer bescheidenen Verbesserung der Ernährung und der Wohnverhältnisse. In Berlin gab es von 1890 bis ca. 1910 etwa 40.000 Pflanzer. Der größte Teil des Bodens gehörte der Stadt, aber auch Kirchen und Privateigentümer boten ungenutzte Flächen für die kurzfristige Nutzung, in der Regel zwischen drei und sechs Jahren, an. Die meisten Kolonien entstanden auf sogenanntem Bauverwaltungsland.

Während die Parzellen der Berliner Laubenkolonisten auf eine Bewegung von "unten" zurückgehen, waren die ersten Arbeitergärten in Charlottenburg und Berlin Gründungen von "oben". Die Bezeichnung "Arbeitergärten" war bewusst gewählt. Sie trug programmatischen Charakter und sollte in gleicher Weise wie der Begriff Schrebergärten, werbewirksam und zugkräftig sein. Die Selbstdarstellungen des Deutschen Roten Kreuzes verdeutlichen diese Ansicht. Auf Veranlassung von Geheimrat Alwin Bielefeldt wurden 1901 in Charlottenburg die ersten Arbeitergärten angelegt. Zu diesem Zeitpunkt wandte sich das DRK verstärkt der Sorge für die Volksgesundheit zu und man sah auch Kleingärten als geeignete Einrichtungen an. Die älteste Rot-Kreuz-Anlage in Berlin errichtete der Volksheilstättenverein 1905 in dem Vorort Heinersdorf, zwischen Pankow und Weißensee. Die Gründe, die den Volksheilstättenverein zur Anlage dieser Gärten bewog, ergaben sich daraus, dass die aus der Heilstätte Entlassenen so die Möglichkeit erhielten, sich bei Gartenarbeit viel im Freien aufzuhalten. Die Auswahl der Pächter erfolgte nach sozialhygienischen Gesichtspunkten, insbesondere vom Standpunkt der Tuberkuloseverhütung. Kinderreiche Familien wurden dabei bevorzugt.


Vereinigung der Pflanzvereine ab 1901
Im April 1901 schlossen sich die Kolonien der Pflanzer zur Vereinigung sämtlicher Pflanzervereine Berlins und Umgebung zusammen. Diese neue Organisation unterstützte die Pächter im Kampf um willkürliche Pachtzinserhöhung, in der Entwicklung von Dauerkolonien, im Rechtsschutz und in der Vermittlung gärtnerisch fachlichen Wissens sowie mit Solidaritätsleistungen. Dieses wird als Gründungsdatum für den heutigen Verband angesehen.

In der durch wirtschaftliche Not gekennzeichneten Zeit des Ersten Weltkrieges wuchs die ernährungspolitische Bedeutung des Kleingartenwesens. Die immer mehr um sich greifende Lebensmittelknappheit rückte die Kleingärten mit ihren bescheidenen Möglichkeiten der Selbstversorgung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit und der staatlichen Institutionen. Die Gesetzgebung mußte dem Rechnung tragen. So wurden während des Krieges mehrere Notverordnungen erlassen, z. B. eine Verordnung zur Eindämmung der Pachtpreise und eine andere, die zur Bereitstellung von städtischem Gelände für den Anbau von Gartenprodukten verpflichtete. Höhepunkt und vorläufiger Abschluß war die Verabschiedung der Kleingarten-und Kleinpachtlandordnung (KGO) am 31. Juli 1919, dem Tag der Annahme der Weimarer Verfassung durch die Nationalversammlung. Sie bot den organisiserten Kleingärtnern Rechtssicherheit im Umgang mit Bodeneigentümern und Verwaltungsbehörden. Die erwerbsmäßige Generalpacht wurde verboten, die Zwangspacht für Kleingärten ermöglicht und die Festsetzung der Pachtpreise vorgeschrieben. Ferner enthielt die KGO Festlegungen über die Unkündbarkeit der Pachtverträge und die Einrichtung von Einigungsämtern. Das Gesetz stellte den ersten entscheidenden Schritt zur Sicherung und Erhaltung des Kleingartenlandes dar. Seine Bestimmungen gaben der Kleingärtnerbewegung nach 1919 einen unerhörten Auftrieb.


Vom Zentralverband Deutscher Arbeiter und Schrebergärtner bis zur Nachkriegszeit
1909 wurde der "Zentralverband Deutscher Arbeiter und Schrebergärten" gegründet. Die Vereinigung sämtlicher Pflanzervereine Berlins und Umgebung blieb dieser Vereinigung jedoch fern. Sie begründeten ihre ablehnende Haltung mit der Auffassung, daß die Grundrichtung des neuen Zentralverbandes dem demokratischen Wesen der Kleingartenbewegung zuwider laufe. Stein des Anstoßes war für die Laubenkolonisten auch die Patronatsverfassung der Arbeitergärten des Deutschen Roten Kreuzes. Im zweiten Jahrzehnt ihres Bestehens änderte die Berliner Pflanzervereinigung 1910 ihren Namen in "Bund Berliner Laubenkolonisten und Umgebung", 1911 in "Verband Laubenkolonisten und Umgebung". Am 20. Oktober 1919 faßte der Vorstand der Berliner Kolonisten den Beschluß, den Verband in "Zentralverband der Kleingartenvereine Deutschlands" umzubenennen. Dieser war als Dachorganisation offen für den Beitritt von Verbänden und Vereinen aus ganz Deutschland. Als Teil dieses Verbandes entwickelte sich der "Gauverband Großberlin", der mit 16 Bezirksverbänden bei vollständiger Selbständigkeit Mitglied im Zentralverband wurde. Der "Gauverband" führte dann auch Pfingsten 1921 den ersten Reichskleingartentag in Berlin-Neukölln durch. Bei diesem Verbandstag ging es im Kern um die Frage, ob die Kleingartenbewegung proletarisch-demokratisch oder bürgerlich-patriarchalisch geführte Bewegung - Gärten für Arbeiter von "unten" oder von "oben" - sei.

Die Beratung in Berlin-Neukölln endete mit der einstimmigen Annahme einer Entschließung, in der es heißt: "Die in Berlin versammelten Vertreter des Zentralverbandes Deutscher Arbeiter und Schrebergärtner und der noch nicht zentral zusammengeschlossenen Verbände und Vereine fordern einmütig den Zusammenschluß sämtlicher Kleingartenoranisationen zu einem einheitlich geleiteten "Reichsverband der Kleingartenvereine Deutschlands". Die endgültige Annahme der Satzung sollte am 14. August 1921 in Bremen erfolgen.


Die Berliner Kleingartenorganisation, die sich zunächst Gauverband, später Provinzialverband nannte, setzte sich für moderne Kleingärten für Arbeiter und Erwerbslose ein – so entstand beispielsweise die im Jahre 1929 eröffnete erste Dauerkolonie Deutschlands Rehberge im Arbeiterbezirk Wedding. Der Provinzialverband Berlin hatte im Jahre 1929 66.570 Mitglieder. Das proletarische Element beherrschte das Vereinsleben. So erklärt sich, dass die Nationalsozialisten, als sie 1933 an die Macht gekommen waren, die Kleingärtnerverbände und -vereine gleichschalteten und die Vorstände absetzten. „Vereinsführer“ und „Verbandsführer“ wurden eingesetzt. Das demokratische Vereinsleben konnte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wiederbelebt werden.


Im Jahre 1945 konnte die Kleingartenbewegung in Gestalt des Provinzialverbandes Berlin-Brandenburg der Kleingärtner und Kleinsiedler wieder aktiviert werden. Jedoch wurde seit 1948 durch die  Spaltung Berlins auch die einheitliche Entwicklung des Berliner Kleingartenwesens unterbrochen. Bis 1989/1990 währte die getrennte Verbandsentwicklung in Berlin.


Wiedervereinigung

Vom Ende des Jahres 1989 bis zur Mitte des Jahres 1991 vollzog sich die Wiedervereinigung des Berliner Kleingartenwesens im Rahmen der Wiedervereinigung Berlins. Im Ergebnis dieses Prozesses traten bis auf den Bezirksverband Berlin-Prenzlauer Berg die Ostberliner Bezirksverbände dem Landesverband Berlin bei. Mit der ordentlichen Delegiertenversammlung des Landesverbandes Berlin am 8. Juli 1991 war die organisatorische Einheit des Berliner Kleingartenwesens wiederherstellt.


Bundeskleingartengesetz

Seit dem Jahr 1983 regelt das Bundeskleingartengesetz die Zweckbestimmung der Kleingärten und definiert die Voraussetzungen für ihre Gemeinnützigkeit. Seit dem Jahr 1990 erstreckt sich der Geltungsbereich des Gesetzes auch auf die neuen Bundesländer. Die Entwicklung der Berliner Kleingärten wurde im Jahre 2004 in einem speziellen Kleingartenentwicklungsplan geregelt. In ihm war jedoch die dauerhafte Erhaltung von Kleingärten nicht vorgesehen. So besteht nach wie vor eine starke Gefährdung des Erhalts der Kleingartenflächen durch den verstärkten Wohnungsbau in Berlin. Die Kleingärtnervereine haben vor allem ein Interesse: den dauerhaften Erhalt ihrer Flächen und ihrer Bezahlbarkeit.


Quellen: 

Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher und Klimaschutz (Stand von 2022)


Ein starkes Stück Berlin - 1901 bis 2001 - 100 Jahre organisiertes Kleingartenwesen in Berlin. Hrsg. vom Landesverband Berlin der       Gartenfreunde e. V. Berlin, Verlag W. Wächter 2001

Kleine Gärten einer großen Stadt, Hrsg. vom Landesverband Berlin der Gartenfreunde e. V. Berlin, Verlag W. Wächter 2007

Episoden der Berliner Kleingartenbewegung - Historische Wurzeln, Einschnitte, Umbrüche und Beständigkeit, Hurt, Jürgen; Kassel, Manfred; Loesdau, Alfred; Hrsg. vom Deutschen Kleingärtnermuseum in Leipzig e. V., Leipzig 2012. (Wissenschaftliche Schriften, Heft 12)