Verfasst am 11.05.2020 um 10:00 Uhr

Grün retten ist so wertvoll wie neues Grün schaffen   

Berlin muss den Erwerb von Kleingartenflächen als Ausgleich für Bauprojekte anerkennen. 

In der heutigen Zeit, in der Klimaschutz, aber auch Natur und Umweltschutz eine immer größere Rolle im Bewusstsein der Menschen einnehmen, muss auch die Politik neue Wege zur Erhaltung von Grün prüfen und in die Tat umsetzen. Die Bundesregierung hat dies bereits vor Jahren erkannt. Denn sie schrieb 2013 als Zielsetzung in den Koalitionsvertrag, „dass dauerhaft ökologisch aufgewertete Kleingartenanlagen künftig als Ausgleichsflächen anerkannt werden können“. Eigentlich hätte damals schon formuliert werden müssen, „Grünflächen, die dem Klimaschutz dienen, sind unter Nutzung aller Möglichkeiten zu erhalten“.


Wer Grünflächen bebaut, muss Ausgleich leisten
Sieben Jahre später ist die Einbeziehung von Kleingartenflächen in die Ausgleichsmaßnahmen immer noch nicht in der Praxis angekommen. Das Thema treibt uns weiterhin um. Worum geht es dabei? Bauherren sind bei Investitionen, z.B. in den Wohnungsbau, in den Straßenbau oder auch im Rahmen neuer Einkaufscenter verpflichtet, Grünbereiche, die der baulichen Maßnahme zum Opfer fallen, an anderer Stelle neu anzulegen. Kann der Investor keine neue Grünfläche schaffen, so muss er die finanziellen Mittel hinterlegen, die dann für die Schaffung von neuem Grün zu verwenden sind.

Hier könnten und sollten die Kleingärten ins Spiel kommen: Würde man Teile dieses Geldes dafür nutzen, eine Kleingartenfläche zu kaufen, die für die Umwidmung vorgesehen ist, so könnte man verhindern, dass aus dieser Grünfläche Baugrund wird. Durch solche Ausgleichsmaßnahmen würde zwar kein neuer Grünbereich geschaffen, doch der Effekt für das Stadtgrün wäre derselbe: Eine zum Verschwinden verdammte Kleingartenanlage könnte gerettet werden. So würde nachhaltig kompensiert, was an anderer Stelle einem Bauprojekt zum Opfer gefallen ist.


Die Frage, ob Kleingartenanlagen als ökologische Ausgleichsflächen anerkannt werden, wird in der nächsten Zeit eine entscheidende Rolle für die Entwicklung Berlins spielen. Wir müssen uns entscheiden: Wie viel Bauland verträgt diese Stadt? Wie viele Grünflächen dürfen noch umgewidmet werden? Der Senat geht hier mit seinen Plänen für eine gesamtstädtische Ausgleichskonzeption und für das Berliner Ökokonto einen neuen, richtigen Weg. Dies ist erforderlich, weil die Entwicklung der Stadt bis zum Jahr 2030 alleine im Wohnungsbau bis zu 200 Hektar Fläche fordern wird, darunter im hohen Umfang auch Grünbereiche. Doch geeignete Flächen für eine Kompensation sind in der stark verdichteten Stadt kaum vorhanden, daher werden gegenwärtig viele der festgelegten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht realisiert.

Das Ökokonto des Senats ist zu eng gefasst

Die Pläne zum Berliner Ökokonto bilden eine gute Voraussetzung, die sogenannte „grüne Stadt“ zu erhalten und zu entwickeln. Leider beschränkt sich der Senat dabei aber auf großflächige Landschaftsräume als Ausgleichsmaßnahmen, die am Rand Berlins liegen. Dies ist aus der Sicht des Kleingartenwesens viel zu eng gesehen, denn überall in der Stadt wird gebaut und damit in großem Umfang „Grün“ vernichtet.


All diese Flächen zu kompensieren und das Berliner Stadtgrün im heutigen Umfang zu erhalten kann nur gelingen, wenn auch bestehende Kleingartenflächen einbezogen werden. Denn sie sind bereits vorhanden und sie sind grün.


Dass das Kleingartenwesen, insbesondere in urbanisierten Räumen, einen unverzichtbaren ökologischen Beitrag, vom Klimaschutz bis zur biologischen Vielfalt, leistet, wird von der Politik, den Behörden, aber auch der Bevölkerung selbst anerkannt und immer wieder betont. Trotzdem weist der gegenwärtige Stand des Ökokontos aus, dass Kleingartenflächen nicht dazu gehören sollen.


Fehlentscheidungen verhindern

Mitte Februar hat das Kabinett die neue Bundeskompensationsverordnung verabschiedet, die Infrastrukturvorhaben mit der Pflicht zum Naturschutzausgleich versieht. In diesem Papier werden Kleingärten auf dem Niveau von Natursteinpflasterplätzen eingeordnet - das kann nur als eine Fehlentscheidung gewertet werden. Wenn dazu noch das Berliner Ökokonto sich auf großflächige Landschaftsbiotope beschränkt, so ist dies eine weitere Fehlentscheidung für die Zukunft dieser Stadt; zumal es auch separate großflächige Kleingartenanlagen sowie Kleingartenanlagen im Verbund mit Grünflächen wie Waldgebieten und Parks gibt.


Da es in der heutigen Zeit oberstes Gebot sein muss, die Lebensqualität dieser Stadt zu erhalten und sogar noch zu verbessern, ist ein Umdenken dringend erforderlich. Das muss auch einschließen, Kleingärten als Ausgleichsmaßnahmen anzuerkennen und ihnen mindestens die 25 Jahre Bestandsschutz zu gewähren, wie sie auch anderen Grünflächen zugestanden wird.


Michael Matthei, Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e. V.

Dr. Norbert Franke, Vizepräsident



Fotos: Jana Vallejo Manzano


Dieser Artikel ist auch in der Verbandszeitschrift "Berliner Gartenfreund" in der Ausgabe Mai-2020, erschienen.