Die KGA Langes Höhe unterstützt Geflüchtete mit Hochbeeten und vielen Sachspenden
Gute Nachbarschaft zum Tempohome
Die KGA Langes Höhe liegt zwischen Volkspark Prenzlauer Berg und Friedhof Weißensee.
Offene Tore sucht man in Langes Höhe vergeblich – denn es gibt keine Tore. Alle Wege in der Kleingartenanlage im Lichtenberger Ortsteil Fennpfuhl sind frei zugänglich, das ganze Jahr über. Die Lage ist außergewöhnlich: Die Parzellen liegen direkt an der Grenze zum Bezirk Pankow zwischen dem Volkspark Prenzlauer Berg und der Mauer des Jüdischen Friedhofs Weißensee, im Nordwesten schließt sich der Kleingartenverein Am Volkspark Prenzlauer Berg an. Langes Höhe ist also ein schönes, grünes Ziel für Spaziergänger und Besucher. Doch die 114 Jahre alte Anlage ist seit langem auch Spielball wirtschaftlicher Interessen – das zeigt der Blick von der Straßenseite. Gewerbeflächen von Autohändlern und der graue Riesenquader eines Mietlagers haben sich am Weißenseer Weg in das Grün gefressen, an der Ecke Hohenschönhauser Straße wartet der alte BVG-Busparkplatz auf seine Bebauung.
Private und öffentliche Flächen bunt gemischt
Eine Kleingartenanlage mitten im Leben – die Gartenfreunde sind es gewohnt, mit Veränderungen und Unsicherheiten umzugehen. Die Vereinsvorsitzende Monika Pohling hat in dem Büro im Vereinsheim eine Karte aufgehängt. Sie zeigt auf die gelb markierten Bereiche: „Das ist Berliner Land.“ Diese landeseigenen Parzellen sind relativ sicher, zumal der Bezirk Lichtenberg alles tut, um Kleingärten zu erhalten.
Das Gelb ist allerdings durchsetzt von weißen Streifen, die das private Land markieren. Und diese Flächen sorgen immer wieder für Ärger. Durch Umwandlung in Erholungsgärten oder auch in Wohngrundstücke sind in den letzten Jahrzehnten einige Parzellen verloren gegangen, die Zahl der Gärten im Verein ging um rund 30 auf heute noch 109 zurück.
Hinter Zaun und Grün: Die Container-Unterkunft grenzt direkt an die Kleingartenanlage.
Vor vier Jahren sorgte ein neues Projekt für Unruhe in Langes Höhe: Berlin plante eine Reihe von provisorischen Anlagen mit Wohncontainern, um Tausende von Geflüchteten unterzubringen. Eines der „Tempohomes“ sollte ausgerechnet auf dem ungenutzten Sportplatz zwischen Langes Höhe und Volkspark entstehen.
Am Anfang herrschte Unruhe
„Die Aufregung war natürlich groß“, erzählt Monika Pohling. Lange bevor der erste Container aufgestellt und die ersten Bewohner eingezogen waren, wurden die schlimmsten Befürchtungen bei Anwohnern und Kleingärtnern laut: Störungen und Lärm? Verschmutzung und Unordnung? Kriminalität? Ausländerfeindliche Attacken? Was würden die künftigen Nachbarn mit sich bringen?
„Wartet doch erst mal ab“, beschwichtigte die Vereinsvorsitzende ihre Pächter und ging die Sache pragmatisch an. Zuallererst setzte sie sich dafür ein, dass der öffentliche Weg zwischen dem geplanten Tempohome und der Anlage endlich eine Beleuchtung erhielt. Licht gibt ein Gefühl von Sicherheit, weiß Monika Pohling. „Das beruhigt und hilft allen Seiten.“
Im August 2017 standen dann die Container und die ersten der 250 Bewohner zogen ein. Beim Tag der offenen Tür konnten die Anrainer die neue Anlage in Augenschein nehmen. Und dabei wurde den Kleingärtnern ziemlich schnell klar, was hier fehlte: Die Außenanlagen waren noch komplett unfertig. „Es wurden nur die Container angefahren, und ringsum sah es wüst aus“, erinnert sich Monika Pohling.
Einige Wochen später kamen die Gartenfreunde mit Schaufeln und Schubkarren herüber. Gemeinsam mit den Pächtern aus Prenzlauer Berg und den Bewohnern verteilten sie bergeweise Mutterboden auf dem Gelände, erste Pflanzkübel wurden aufgestellt.
Gemeinsam gärtnern, gemeinsam feiern
Zuvor schon hatte der Verein beim Bezirk Fördermittel für ein kleines Gartenprojekt beantragt und bewilligt bekommen. Die Idee war es, den Neuankömmlingen die hiesige Gartenkultur näherzubringen und sie womöglich selbst zum Graben und Pflanzen zu verleiten. Die Organisation als Ehrenamtskoordinator übernahm das Vereinsmitglied Dr. Alexander Enders.
Im Oktober 2017 ging es los: Acht Hochbeete wurden gemeinschaftlich in der Unterkunft angelegt. Die Gartenfreunde besorgten Material und Geräte, die Tempohome-Bewohner fassten mit an, Blumen, Kräuter und Gemüse wurden gepflanzt.
Mehrere Arbeitseinsätze folgten, und aus dem gemeinsamen Arbeiten entstanden weitere Kontakte. Die Kleingärtner wurden zu den Festen in der Unterkunft eingeladen, halfen beim Kuchenbacken und der Essensvorbereitung. Und sie brachten häufig Gaben mit – vor allem für die Kleinsten unter den Bewohnern. Denn die rund 40 Kinder in dem Tempohome freuten sich über jedes Geschenk: Spielzeug, Bastelmaterial und Bücher, Fußbälle und Fahrräder spendeten der Verein und einzelne Mitglieder. Aber auch die Erwachsenen unter den Geflüchteten gingen nicht leer aus: Sie bekamen einen Grill und Gartenstühle von den Kleingärtnern. Und auf Initiative der Nachbaranlage Am Volkspark Prenzlauer Berg wurde bei zwei gemeinsamen Arbeitseinsätzen ein kleiner Pavillon gezimmert, damit die Raucher unter ihnen nicht bei Regen und Kälte im Freien stehen müssen …
Zwischen den alteingesessenen und den neuen Nachbarn ergaben sich auch regelmäßige Treffen, ja sogar richtige Freundschaften. So hat Ute Schulz die kurdische Familie Choshnau ins Herz geschlossen, die beim Einzug gerade ein Kind erwartete. Ute Schulz unterstützte die junge Mutter in der Schwangerschaftund nach der Geburt, lädt die ganze Familie gern zu Kaffee und Kuchen in den Garten ein. Die Kinder kommen zum Schaukeln und Spielen, lassen sich verwöhnen und auch mal in den Zirkus einladen. Und Ute Schulz darf bei keinem Geburtstag der Kleinen fehlen.
Unterdessen hilft der Gartenfreund Wilhelm Otto der jungen Generation im Tempohome beim schulischen Start in ihr neues Leben. Wöchentlich geht er in die Unterkunfthinüber, um die Kinder bei der Erledigung ihrer Hausaufgaben zu betreuen.
Bald weichen die Container schon wieder
Schon bald nachdem die neuen Nachbarn ihre Unterkunft bezogen hatten, wurde auch dem letzten Gartenfreund klar: Alle Sorgen waren unbegründet. Die Bauarbeiten für die Anlage waren noch die größte Störung gewesen. Seither lebt man friedlich und reibungslos nebeneinander und zum Teil auch herzlich miteinander. Nur die gemeinsamen Arbeitseinsätze und Feste sind in diesem Jahr durch die Corona-Pandemie bisher nicht möglich gewesen.
Doch das Verhältnis zu den Bewohnern nebenan ist weiterhin gut, freut sich Monika Pohling: „Etwas Besseres konnte uns nicht passieren“, meint sie und ergänzt: „Vielleicht werden wir uns bald nach ihnen zurücksehnen.“ Denn das Tempohome ist nur eine Unterkunft auf Zeit: Die Pläne des Bezirksamtes sehen vor, dass die Bewohner Ende des Jahres schon wieder ausziehen müssen. Was dann mit dem Gelände geschieht, ist noch nicht endgültig geklärt. Aber es sieht alles danach aus, dass hier eine Grundschule gebaut werden könnte, während vorne auf dem BVG-Parkplatz 750 neue Wohnungen entstehen sollen.
Die Gärtner in Langes Höhe müssen sich also wieder einmal auf große Veränderungen einstellen. Aber wer weiß, vielleicht finden sie ja in der künftigen Schule wieder nette Nachbarn, die sie bei gemeinsamen Pflanzaktionen und Festen ins Herz schließen können.
Klaus Pranger
Redakteur „Berliner Gartenfreund“
Dieser Textbeitrag ist im Septemberheft 2020 der Verbandszeitschrift Berliner Gartenfreund, Seite 9/12 bis 9/13, erschienen und mit freundlichen Genehmigungen des Autors und des Verlags W. Wächter auch hier.
Fotos: Klaus Pranger