Traditionsgemäß haben die Berliner Gartenfreunde während der Grünen Woche 2018 ihr 15. wissenschaftliches Forum der Gartenfachberatung abgehalten. Am 21. Januar trafen unter dem Motto „Kleingärten – ein Mehrwert für den Klimaschutz?“ rund dreihundert Gäste zum Gedanken- und Erfahrungstausch zusammen.
„Kleingärten – ein Mehrwert für den Klimaschutz?“
Professor Dr. Klaus Töpfer: Kleingärten in der Stadt sollen erhalten bleiben. Fotos: Jana Vellejo-Manzano
Mit Klaus Töpfer, dem unter anderem ehemaligen Bundesminister für Umwelt und Naturschutz und ehemaligen Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, hatten sich die Kleingärtner einen Redner mit nationaler und internationaler Expertise auf die Bühne geholt. „Zum Kleingarten habe ich eine sehr persönliche Verbindung. Als Flüchtlinge aus Schlesien kommend, lies sich meine
Familie in Ostwestfalen nieder und ich bin dort gleichsam mit der Kleingärtnerei aufgewachsen“, begann er seine Ausführungen. „Nie habe ich so schmackhafte Erdbeeren wie damals aus dem Kleingarten gegessen.“ Mit seinem Vortrag ließ er die Gäste an seinen vielfältigen Erfahrungen und Erlebnissen aus zahlreichen Ecken der Welt teilhaben. So berichtete er über Tendenzen der Landwirtschaft auf der Arabischen Halbinsel, in Singapur und im Subsahara-Gebiet und schlug dann den Bogen zum Veranstaltungsthema. „Kleingärten sind wichtig für die klimatischen Zustände in den Städten, denn sie produzieren Biomasse und bilden Frischluftschneisen. Daher muss man sie unbedingt erhalten“, stimmte er mit dem Publikum überein, benannte aber auch die Probleme. „Schwierig für die Kleingärtner, diese Position zu verteidigen, ist es immer dann, wenn man auch andere Ziele hat, wie etwa in Berlin den Wohnungs- und Infrastrukturbau. Dann muss man wirklich nachdenken.“
Oliver Wächter stellt die geplante Klimakampagne vor.
Klimakampagne der Berliner Gartenfreunde
Die Berliner Gartenfreunde wollen bei der Politik und der Stadtbevölkerung für den Erhalt der Kleingartenflächen mit einer Klimakampagne werben. Diese stellte im Namen der Kleingärtner der Geschäftsführer des Bremer Verlags W. Wächter GmbH vor. Ziel der geplanten Kampagne sei es, so Verleger Oliver Wächter, die Berliner Grünflächen vor den Folgen des Klimawandels und vor unberechtigtem Zugriff im Rahmen der Stadtplanung zu schützen sowie die Kleingartenflächen zu Flächen der Klimaanpassung zu machen. Um Kleingärten in klimaresiliente Klimagärten umzubauen, kämen auf die Berliner Gartenfreunde zahlreiche Aufgaben zu. So müssten sie ihre Mitglieder etwa zum Klimawandel informieren, schulen und beraten sowie die Umsetzungsmaßnahmen in den Kleingartenvereinen begleiten. Denkbar wären dafür ein Klima-Kompetenz-Netzwerk, der Aufbau von Muster-Klimagärten, Wettbewerbe zur Klima-Thematik sowie eine Arbeitsgemeinschaft Klima und ein Klimabeirat.
Podiumsdiskussion
Das gemeinsame Nachdenken zum Berliner Kleingartenwesen fand anschließend im Podiumsgespräch mit Klaus Töpfer, Fritz Reusswig (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), Sven Wachtmann (Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V.) und Stefan Grundei (Bundesverband deutscher Gartenfreunde) sowie dem Publikum statt. Einige Redner thematisierten Aspekte, die die aufgezeigte Komplexität an Beispielen verdeutlichten, so etwa den vermeintlichen Gegensatz zwischen Kleingartenwesen und den anderen Formen des Urban Gardening. Fritz Reusswig dazu: Das Kleingartenwesen werde, historisch betrachtet, als alte, Urban Gardening dagegen als neue Bewegung wahrgenommen, die andere soziale Milieus umfasse.
Oliver Wächter (3. v.l.) moderiert das Podiumsgespräch mit Klaus Töpfer, Fritz Reusswig, Sven Wachtmann und Stefan Grundei.
Er sehe jedoch vor allem die Gefahr, dass Urban Gardening dazu missbraucht werde, um den Flächenverlust von Kleingärten diskursiv zu verschleiern.
Landesgartenfachberater Sven Wachtmann lenkte die Aufmerksamkeit auf praktische Fragen. Maßnahmen der Klimaanpassung könnten zum Beispiel Gründüngung und naturnahes Gärtnern sein. Anhand von Schaugärten würden wissenschaftliche Erkenntnisse zudem für die Kleingärtner fassbar gemacht. Mit neuer Technologie etwa könne man ganz allgemein die Gartenarbeit und insbesondere die Bodenbewässerung vereinfachen. Der Fachberatung wurde auch in mehreren Beiträgen aus dem Publikum enorme Bedeutung zugesprochen. „Jeder Verein und jeder Bezirksverband sollte einen Gartenfachberater in den geschäftsführenden Vorstand berufen“, wiederholte Sven Wachtmann daher die Empfehlung des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde an seine Mitgliedsverbände. „Dadurch erhält das Fachwissen die nötige Anerkennung.“
Regina Fuhrmann, Leiterin des Schul-Umwelt-Zentrums, berichtete über Beispiele für grüne Oasen in Berin.
Stefan Grundei verglich die Situation in Berlin mit der anderer Städte. „Die Berliner Gartenfreunde sind Vordenker und Vorreiter in Sachen Erhöhung des Grün-Volumens. Sie sind gut beraten, auch den sozialen Charakter der Kleingartenvereine im Fokus zu behalten.“ Die Vereine arbeiteten bereits an der Flächenaufwertung, so dass 2030 bis 2040 alle Kleingartenareale vorbildlich seien, denn der Druck werde sich enorm erhöhen. „Haben wir ab Vereinsebene aber auch die nötigen Strukturen, um mit der Politik und der Stadtgesellschaft zu reden?“, fragte Stefan Grundei selbstkritisch. „Proaktivität aus den Reihen der Kleingärtner wäre hier nötig.“
Redner aus dem Publikum gaben zu bedenken, dass sich die Kleingärtner nicht nur auf den Faktor Klima konzentrieren, sondern weiterhin auch die sozialen und die gesundheitlichen Vorteile des Kleingärtnerns im Blick haben sollten. Hinzu käme der Beitrag zur Artenvielfalt in der Stadt. Denn in all diesen Aspekten ergänzten
sich das traditionsreiche Kleingartenwesen und die Urban-Gardening-Bewegung, so dass sie sich nicht gegeneinander ausspielen lassen sollten.
Alle Redner und Moderatoren werden weiterhin im Sinne eines grünen Berlin aktiv sein: Sven Wachmann, Stefan Grundei, Fritz Reusswig, Oliver Wächter, Günter Landgraf, Heike Boomgaarden.
Fazit
Kleingärten in der Stadt stehen mehr denn je im Spannungsverhältnis von Ökonomie und Ökologie. Klaus Töpfer ermutigte daher alle Berliner Gartenfreunde, die Vielfalt ihrer kleingärtnerischen Themen beizubehalten, damit sie für das Stadtklima und die Gesellschaft relevant blieben und ihnen nicht etwa durch den punktuellen Einsatz von Technik die Bedeutung entzogen werde.
Veranstalter des 15. wissenschaftlichen Forums der Gartenfachberatung war der Landesverband Berlin der Gartenfreunde e.V. Günter Landgraf, Präsident des Landesverbandes, begrüßte die rund dreihundert Gäste im City Cube Berlin. Heike Boomgaarden, Vizepräsidentin der Deutschen Gartenbaugesellschaft 1822 e.V., führte durch die Veranstaltung.