Jury des 5. Landeswettbewerbs ermittelt die schönste Kleingartenanlage Berlins
Mit Klemmbrett, Stift und kritischem Blick
Hat nicht am Gartentor halt gemacht: Hier die Jury hinten in einem Garten bei der geführten Besichtigung.
Was macht eine Kleingartenanlage zur schönsten im ganzen Land? Nun, die sechs Expertinnen und Experten, die an diesem wechselhaften letzten August-Wochenende in sechs Berliner Kleingartenkolonien unterwegs sind, haben davon klare Vorstellungen. Yvonne Griephan, Dr. Erich Hetz, Manfred Schubert, Reinhard Schubert, Sven Wachtmann und Stefan Zahlmann bilden die Jury für den 5. Landeswettbewerb. Sein Motto gibt bereits den Schwerpunkt vor: „Kleingärten im Einklang mit der Natur“ heißt es diesmal. Schon deshalb ist nicht anzunehmen, dass der Bewerber mit den gemähtesten Rasenflächen, den geharktesten Wegen und den unkrautfreiesten Beeten am Ende zwangsläufig die Nase vorn haben wird.
Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass die Gärten in den Anlagen, die nun den Besuch der Jury erwarten, ungepflegt wären. Im Gegenteil – die drei Gartenfachberater, die beiden Vertreter von Berliner Umweltschutzorganisationen und die für Kleingärten zuständige Mitarbeiterin aus der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) sind beeindruckt vom Gärtnerfleiß, der sich bei all ihren Rundgängen hinter den Gartentoren offenbart.
Zimmer frei! Insektenhotel mal anders.
Doch beworben haben sich die sechs Vereine vor allem, weil sie attraktive Umweltprojekte auf die Beine gestellt haben. Den alle vier Jahre stattfindenden Landeswettbewerb sehen sie als Chance, sich einer größeren Öffentlichkeit zu präsentieren und sich zugleich mit den besten Kleingartenanlagen aus ganz Berlin zu messen und neue Anregungen zu erhalten.
Mit sechs Vereinen ist das Teilnehmerfeld deutlich kleiner als bei den vier früheren Landeswettbewerben. Nur ein Drittel der 18 im Landesverband Berlin organisierten Bezirksverbände hat diesmal einen Kandidaten ins Rennen geschickt. Chef-Juror Sven Wachtmann, der als Landesgartenfachberater viele der rund 770 Kleingartenanlagen der Hauptstadt kennt, bedauert die Zögerlichkeit etlicher Vorstände. Viele von ihnen, so seine Überzeugung, hätten ebenfalls gute Chancen auf einen vorderen Platz gehabt.
Allerhand am Baum! Die Jury auf ihrem Weg durch eine KGA.
Bewerber unterscheiden sich zum Teil erheblich
Andererseits erleichtert die überschaubare Teilnehmerzahl der Jury die Arbeit. Denn es ist auch so schon schwer genug, das Wirken der einzelnen Vereine miteinander zu vergleichen: Hinsicht lich ihrer Größe, ihrer Lage, ihrer Verkehrsanbindung oder ihrer Bedeutung im sozialen Gefüge der Großstadt unterscheiden sich die Bewerber zum Teil erheblich.
Verfügt beispielsweise der Charlottenburger Verein Habsburg Gaußstraße über lediglich 37 Parzellen, hat der größte in der Konkurrenz, die Hellersdorfer KGA Dahlwitzer Straße, mit 711 Kleingärten fast 20-mal so viele Mitglieder. Liegt der Bewerber aus Treptow, die KGA Grüne Weide, inmitten eines Wohngebiets mit städtischer Infrastruktur und wird von einem vielbefahrenen Radweg gesäumt, kann der Vorstand der bereits im Brandenburgischen und etwas abseits liegenden KGA Naturfreunde Köpenick von hereinspazierenden Passanten nur träumen. Und während die Kleingärtner der Pankower KGA Möllersfelde mit den Gartenfreunden aus den umliegenden Kleingartenanlagen am Stadtrand um die wenigen Parkflächen konkurrieren müssen, können die besser angebundenen Weißenseer Nachbarn der KGA Feuchter Winkel Ost ihre Anlage mittlerweile weitgehend autofrei halten.
Um bei allen Unterschieden eine faire und objektive Einschätzung vornehmen zu können, hat der Landesverband in Vorbereitung des Wettbewerbs einen einheitlichen Bewertungsbogen erarbeitet (siehe Kasten). Dessen zehn Kriterien waren bereits Teil der Ausschreibung und allen Bewerbern damit von Beginn an bekannt.
Nicht auf dem Holzweg, aber auf einem Barfußpfad: Yvonne Griephan von der Senatsverwaltung.
Geführter Spaziergang zu den schönsten Gärten
Und so gehen die Experten nun, Klemmbrett und Stift in der Hand, gemeinsam durch die Anlagen. Nachdem sich am Morgen bereits der Vorstand der KGA Habsburg Gaußstraße präsentiert hat, führt nun Ulrich Menzer die Gäste zu den schönsten Gärten seiner Pankower KGA Möllersfelde. Seit 30 Jahren ist er Vorsitzender des Vereins. Die Schmuckstücke, die er heute zeigen möchte, sind größtenteils erst in den vergangenen Monaten entstanden. Beziehungsweise entstehen gerade, wie die Schredderparzelle, die im Moment noch nicht viel mehr ist als ein ebenes, zur Aussaat vorbereitetes Rechteck in Kleingartenformat. In wenigen Tagen werden die Gartenfreunde hier im Rahmen eines Workshops eine Trockenwiese anlegen. Auf dem hinteren Teil der Parzelle können künftig einmal monatlich Hecken- und Baumschnitt entgegengenommen und fachgerecht zerkleinert werden. Das Schreddergut wird anschließend auf der eigenen Parzelle kompostiert. „Dann können alle Vereinsmitglieder ihre Hecken und Bäume herunterschneiden und müssen es nicht kilometerweit zur Entsorgung fahren“, erläutert der 2. Vorsitzende Andreas Punzel.
Jurymitglied Yvonne Griephan kennt das Vorhaben der Panko wer Gartenfreunde schon etwas länger: Die SenUVK, in der sie arbeitet, hat das Projekt und vor allem die Anschaffung des Häckselgeräts unterstützt. Die bewilligten Mittel, dessen ist sie sich sicher, werden gut investiert sein! Das denken auch die anderen aus der Jury und setzen einen dicken Pluspunkt hinter das Kriterium Nachhaltigkeit.
Reverenz an Artenvielfalt der Gründerjahre
Mit aufmerksam abschätzenden Blicken auf die Parzellengestaltung links und rechts des Weges geht es weiter zu einem besonderen Schmuckstück in der 274 Parzellen umfassenden Anlage. Hier hat das Ehepaar Redlich ein Paradies für Frösche, Kammmolche und Heidelibellen geschaffen. Auch eine Ringelnatter kommt öfters zu Besuch, verrät Peter Redlich. Die Großmutter seiner Frau Ingrid-Renate gehörte im Gründungsjahr 1926 zu den ersten Pächterinnen der Anlage. Das Biotop mit Teichen, üppiger Blumenpracht und einer großen Gemüse-Ecke verstehen beide auch als Reverenz an die Artenvielfalt jener Zeit.
Kleingärtnerische Nutzung und ökologische Angebote im Fokus.
Den Höhepunkt des Besuchs in Möllersfelde hat sich Ulrich Menzer fürs Ende des Rundgangs aufgespart: Der Schau- und Klimagarten ist wegen der Pandemie zwar noch immer nicht offiziell eröffnet. Aber was einige aktive Klein gärtner aus der heruntergekommenen Parzelle gemacht haben, ist beeindruckend. Hier bekommen interessierte Gäste mustergültig vorgeführt, wie man pestizidfrei und wassersparend gärtnert, welche Gemüse im Beet gut harmonieren oder welche Obstsorten für die hiesigen klimatischen Bedingungen besonders geeignet sind.
„Meine Hochachtung!“, sagt Jurymitglied Sven Wachtmann. „Dieser Garten ist ein Vorbild für alle Bezirksverbände, die einen Schulungsort für klimanahes Gärtnern schaffen wollen!“
Polierte Wege statt blühender Streifen
In anderen Fragen ist die Jury deutlich kritischer. Reinhard Schubert zum Beispiel hat bemerkt, dass die Wege „sehr poliert“ aussehen, jedes Kraut sei weggezupft. „Die Wege sind breit genug, dass es links und rechts bunt blühen könnte“, moniert der Vorstand der Stiftung Naturschutz Berlin. Viola Kleinau, die Vorsitzende des Bezirksverbands Pankow, springt ihrem Vorsitzenden zur Seite und verweist auf die Leistungen, die der Verein mit der Gewinnung von neuer Gartenfläche durch Rückbau und Entsiegelung vollbracht hat. „Irgendwann“, wagt sie einen Vorausblick, „wird es hier auch grüne Wege geben mit einladenden Parkbänken. Aber es geht nicht alles auf einmal!“
Umweltbildung für Besucher:innen.
Dem Steglitzer Bezirksgartenfachberater Dr. Erich Hetz ist bei seinem Rundgang durch die Anlage aufgefallen, dass einige Parzellen nicht ausreichend kleingärtnerisch genutzt werden: zu viel Rasen, zu wenig Obst und Gemüse. Ulrich Menzer stimmt ihm zu, aber nur zum Teil: „Man sieht es oft auch nicht, weil die Nutzung im hinteren Teil der Parzelle stattfindet.“ Für Erich Hetz ist das kein Argument. „So ist es aber nicht richtig. Die kleingärtnerische Nutzung sollte klar erkennbar sein!“
„Gewonnen haben Sie schon jetzt!“
Schnell sind die zwei Stunden vorbei, die sich die Jury für den Besuch jeder einzelnen Anlage vorgenommen hat. Nach ihrer zweitägigen Tour zum Kennenlernen aller sechs Bewerber wird die Jury in einer langen Beratungsrunde ihre drei Favoriten ermitteln, beschreibt Sven Wachtmann das weitere Vorgehen. Ob die KGA Möllersfelde dann zu denen gehören wird, die sich über einen Platz unter den ersten drei und ein Preisgeld in Höhe von 3000, 2000 oder 1000 Euro und die Delegierung zum Bundeswettbewerb im kommenden Jahr freuen dürfen, kann er heute noch nicht sagen. Das wird erst auf der Auszeichnungsveranstaltung im Januar bekanntgegeben. Eines steht für den Fachberater mit Blick auf die vielen neuen Anregungen für die Möllersfelder aber bereits fest: „Gewonnen haben Sie alle schon jetzt!“
Elke Binas
Redakteurin, Verlag W. Wächter
Dieser Textbeitrag ist in der Oktober-Ausgabe 2021 der Verbandszeitschrift 'Berliner Gartenfreund', Seite 10/8 bis 10/9. erschienen und mit freundlicher Genehmigung des Verlag W. Wächter auch hier online.
Fotos - Impressionen während der Besichtigung: Dr. Marion Kwart