Verfasst am 27.01.2017 um 17:26 Uhr

Stadtentwicklung, Kleingärten, Klimawandel … was steht an?

Rund dreihundert Besucher beim 14. wissenschaftlichen Forum der Gartenfachberatung


Günter Landgraf, Präsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde

Manfred Schubert, Heike Boomgaarden, Günter Landgraf, Eva Foos, Fritz Reusswig

Sven Wachtmann, Landesverband Berlin der Gartenfreunde, Landesgartenfachberater


Im Rahmen der Internationalen Grünen Woche 2017 veranstaltete der Landesverband Berlin der Gartenfreunde am 22. Januar im City Cube sein 14. wissenschaftliches Forum der Gartenfachberatung. Fritz Reusswig (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), Manfred Schubert (Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz) und Eva Foos (Humboldt-Universität zu Berlin) beleuchteten in ihren Impulsreferaten die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Stadtentwicklung und Kleingärten. Vor rund dreihundert Gartenfachberatern, Hobbygärtnern und Mitarbeitern aus Umweltinstitutionen und Naturschutzverbänden gaben sie einen Überblick über die Herausforderungen, die der Klimawandel für Berlin und das Stadtgrün bedeuten, und welche Rolle die Kleingärten zukünftig bei dessen Bewältigung spielen werden. In der anschließenden Diskussion, moderiert von der Gartenbauingenieurin und Journalistin Heike Boomgaarden, führten die Referenten und Veranstaltungsteilnehmer die konkreten Möglichkeiten weiter aus, mit denen sich Stadtentwicklung und Kleingartenwesen an die klimatischen Veränderungen anpassen können.


Fritz Reusswig, Soziologe am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK); Fotos: Jana Vallejo-Manzano

Klimawandel: Das Klima von Toulouse kommt nach Berlin

In Berlin kann man bereits seit einigen Jahren Temperatursteigerungen wahrnehmen, die sich laut PIK-Prognose fortsetzen werden. Besonders markant fällt der Anstieg in Herbst und Winter aus. „Berlin wird, was den Jahresgang von Temperatur und Niederschlägen angeht, im Jahr 2100 wahrscheinlich das Klima haben, das die südfranzösische Stadt Toulouse heute aufweist“, zitiert Fritz Reusswig einen wichtigen Aspekt des vom PIK entwickelten Konzeptes zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (AFOK). „Wir müssen uns auf mehr heiße Tage im Sommer, mildere Temperaturen und weniger Schnee im Winter sowie auf mehr Starkregentage einstellen.“ Dies bedeutet, dass die versiegelten Flächen noch stärker als Hitzeinseln wirken, das Stadtgrün unter Dauerstress aufgrund von Hitze und Wassermangel gerät sowie zum Beispiel Keller, Tiefgaragen und U-Bahn-Eingänge häufiger überflutet werden. Parallel dazu wird ein weiterer Bevölkerungszuwachs mit verschärfter Konkurrenz zwischen Grünflächen und Wohnungsbau bzw. Infrastruktur vorausgesagt.


Manfred Schubert, Geschäftsführer der Berliner Landesarbeits-gemeinschaft Naturschutz (BLN)

Stadtentwicklung: Umgang mit den Folgen 

Die Stadtentwicklung kann die unausweichlichen Folgen des Klimawandels nicht länger ignorieren, wie Manfred Schubert in seinem Impulsreferat ausführte. „Die Handlungsgrundlagen für den Senat und die Bezirke sind vorhanden, sie müssen nun umgesetzt werden“, bekräftigt er die Forderung der Umweltschutzverbände. „Dazu gehören etwa die Koalitionsvereinbarungen, die zahlreichen Programme für eine ökologisch wachsende Stadt sowie die vielen zivilgesellschaftlichen Beiträge.“ Inhalte all dieser Konzepte sind zum Beispiel, flächenschonend zu bauen, d.h. höher und dichter und vor allem auf bereits versiegelten Flächen, Dächer und Fassaden intensiver zu begrünen sowie den Wasserhaushalt in der Stadt etwa durch Wiedervernässungen zu verbessern. Eine der wichtigsten Forderungen ist, die vorhandenen Grünflächen und Kleingärten zu erhalten – nach dem Vorbild des vor mehr als hundert Jahren abgeschlossenen Vertrages zur Sicherung des Berliner Waldes.

 

Eva Foos, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Albrecht-Daniel-Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissen-schaften der HUB, Modellprojekt "Urbane Klima-Gärten"

Kleingärten: … was steht an?

Viele Kleingärtner sind bereit, ihre gärtnerische Praxis dem Klimawandel anzupassen. Dies ergab das Modellprojekt „Urbane Klima-Gärten“, in dem die Humboldt-Universität seit 2015 mit zahlreichen Partnern der unterschiedlichen gärtnerischen Milieus zusammengearbeitet hat. Eva Foos, Koordinatorin des Modellprojektes, trug in ihrem Impulsreferat viele Empfehlungen zusammen, mit denen die Gärtner etwa auf die zunehmende Trockenheit und die längeren Vegetationsperioden reagieren können: die Böden oberflächlich grubbern, statt sie tief umzugraben, und durch Kompost organisch düngen; torffreie Erden verwenden, hitze- und trockenheitstolerante sowie tiefwurzelnde Sorten wählen, Nützlinge fördern und die Gartenhygiene einhalten. „Vor allem sollten sich die Hobbygärtner, ganz gleich ob Kleingärtner, Urban Gardener oder Gemeinschaftsgärtner, stärker vernetzen“, betonte Eva Foos. „Es geht darum, Zweckbündnisse zu bilden, nicht darum, dass einzelne Milieus ihre Identität aufgeben.“



Aus den Reihen der rund dreihundert interessierten Hobbygärtner sowie Vertreter von Institutionen und Umweltverbänden kamen Fragen zur Erhaltung der Kleingärten.

„Kleingärtner tragen selbst Verantwortung für die Erhaltung ihrer Gärten“

Im Podiumsgespräch und in der offenen Diskussionsrunde griffen die Teilnehmer das Thema Unterschiedliche Formen des Gärtnerns erneut auf. Stefan Grundei, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde, verwies darauf, dass bundesweit in zahlreichen Kleingartenanlagen bereits alternative Formen des Gärtnerns praktiziert werden. „In Köpenick gibt es den interkulturellen Gemeinschaftsgarten ‚Wuhlegarten‘“, ergänzte Günter Landgraf, Präsident des Berliner Landesverbandes, ein konkretes Beispiel. „Und in der Kleingartenanlage ‚Am Kienberg‘ ist die sogenannte IGA-Parzelle für mehrere junge Familien zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen.“


Ferner bleibt die Sicherung der innerstädtischen Kleingartenanlagen ein Dauerthema, wie mehrere Wortmeldungen belegten. „Wir müssen durch unser gesetzeskonformes Verhalten die Politik anhalten, ebenfalls die Gesetze einzuhalten und die Kleingartenanlagen zu schützen“, mahnte Günter Landgraf. „Jeder einzelne Kleingärtner trägt somit selbst Verantwortung für die Erhaltung der Kleingartenanlagen und für die Akzeptanz der Kleingärtner in der Politik und der Bürgerschaft.“



Dr. Fritz Reusswig, Potsdam-Insitut für Klimafolgenforschung (PIK)


Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN)


Modellprojekt "Urbane Klima-Gärten" der HUB

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