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Verfasst am 31.03.2022 um 14:43 Uhr

Alle sollen mit anfassen    

Pflichtarbeitsstunden: Wer sie leisten muss und wann man befreit werden kann    

Pflichtarbeitsstunden sind in vielen Kleingartenvereinen die Regel. Dadurch sollen im Sinne eines solidarischen Zusammenwirkens die Mitglieder für gemeinschaftliche Aufgaben aktiviert werden, sei es die Pflege der Wege und Gemeinschaftsflächen oder andere Leistungen für den Verein und seine Infrastruktur. In rechtlicher Hinsicht gibt es dabei einiges zu beachten und zu regeln.


Arbeitsstunden müssen in der Satzung stehen

Die Verpflichtung zur Ableistung von Arbeitsstunden muss in der Satzung ausdrücklich festgelegt werden, denn die Mitglieder sollen wissen, welche Verpflichtungen auf sie zukommen. Eine Beschlussfassung durch eine Vorstandssitzung oder Mitgliederversammlung wäre nicht ausreichend. Üblich ist in der Satzung z.B. eine Regelung: „Das Mitglied ist verpflichtet, Arbeitsstunden zu leisten.“ Die Anzahl und nähere Ausgestaltung kann in einer Beitragsordnung, einer anderen Ordnung oder durch Beschluss der Mitgliederversammlung geregelt werden.

Möglich ist auch, die Anzahl der Arbeitsstunden unmittelbar in der Satzung zu regeln, dann besteht aber bei Änderungen kaum Flexibilität.


Nicht als Arbeitsstunden gelten ty pische Tätigkeiten im Rahmen der allgemeinen Mitgliederpflichten im Verein. Das Bundessozialgericht sieht es zum Beispiel als Mitgliederpflicht an, wenn Hilfe beim Auf- und Abbau eines Festzeltes verlangt wird. Dies kann auch ohne ausdrückliche Satzungsgrundlage erfolgen.


 Altersregelungen und Ersatzleistungen

Insbesondere ältere Kleingärtnerinnen und Kleingärtner sind oft nicht in der Lage, die Arbeitsstunden zu erbringen. Es gibt keinen Anspruch des Vereins, dass die Arbeitsleistung in einer bestimmten Qualität erfolgt. Auch langsame Arbeit würde die Verpflichtung erfüllen. Dagegen dürfte das bloße Herumstehen und Fachsimpeln keine Leistungserbringung darstellen.

Zulässig wäre jedoch eine Satzungsregelung, wonach Mitglieder ab einem bestimmten Alter oder mit gesundheitlichen Einschränkungen von der Ableistung der Dienste freigestellt werden. Auch hier gilt: Ein Vorstandsbeschluss reicht nicht aus, um die Pflichten aus der Satzung und die prinzipielle Gleichbehandlung der Mitglieder einzuschränken.


Können Mitglieder die Leistung nicht mehr erbringen, so ist vielfach ein finanzieller Ersatz vorgesehen. Sofern dieser in der Höhe angemessen ist, halte ich solche Regelungen für zulässig. Für einen Kleingartenverein erscheint ein Betrag zwischen 5 und 20 Euro pro nicht geleisteter Arbeitsstunde angemessen – aber es kommt immer auf den Einzelfall an. Je nach Satzungsregelung erfolgt die Festlegung des Betrages in einer Ordnung oder per Beschluss der Mitgliederversammlung.


Auch Funktionsträger sind verpflichtet

Die Verpflichtung zu Arbeitsstunden besteht auch für Vorstandsoder Gremienmitglieder. Sie können sich grundsätzlich nicht selbst von der Ableistung befreien, weil sie ehrenamtlich viel für den Verein arbeiten. Die Tätigkeit als Vorstand erfolgt in der Regel ohne Vergütung (siehe Gartenfreund 2/21), es sei denn, es gibt eine eindeutige Satzungsgrundlage. Die Befreiung des Vorstandes von Arbeitsstunden ist daher nur mit aus-drücklicher Regelung in der Satzung zulässig. Ansonsten wäre dies ein Satzungsverstoß, der im schlimmsten Fall abgabenordnungsrechtliche (Stichwort Gemeinnützigkeit) oder sogar strafrechtliche (Stichwort Untreue) Folgen haben kann.


Was gilt für Nichtmitglieder?

Satzungsgemäße Pflichten können immer nur von den Mitgliedern verlangt werden. Tritt also ein Mitglied aus dem Verein aus oder wird ausgeschlossen, endet auch die Verpflichtung zu Arbeitsstunden. Die Leistung kann in diesem Fall auch nicht über „Umwege“ verlangt werden, z.B. in Form einer Nichtleistungsabgabe. Jegliche Verpflichtungen des Vereins gegenüber Dritten bedürfen einer rechtlichen Grundlage, entweder durch Satzung oder durch Vertrag. Daher ist es üblich, dass sich Verpächter in den Pachtverträgen vorbehalten, bei Beendigung der Mitgliedschafteine „Verwaltungspauschale“ zu erheben, da Nichtmitglieder keine Beitrags- und Arbeitspflichten mehr gegenüber dem Verein zu erfüllen haben. Auch können Nichtmitglieder freiwillig durch Vertrag bestimmte Pflichten wie die Ableistung von Arbeitsstunden gegenüber dem Kleingartenverein übernehmen. In einigen Fällen ist die Verpflichtung zur Mitwirkung an Gemeinschaftsaufgaben aber auch im Unterpachtvertrag festgelegt. Sie behält dann auch nach dem Austritt des Kleingärtners aus dem Verein ihre Gültigkeit.


Als Gegenleistung kann z.B. der Zugang zu vereinseigenen Einrichtungen wie dem Vereinsheim gewährt werden. Rechtlich problematisch dürfte es allerdings sein, ein Mitglied aus dem Verein auszuschließen und dann die Ableistung von Arbeitsstunden im Gegenzug für eine bestimmte Vereinsleistung zu verlangen. Wer aber selbst aus dem Verein austritt, hat keinen Anspruch auf Nutzung der vereinseigenen Einrichtungen (siehe Gartenfreund 9/20).


Sven Kohlmeier,  Rechtsanwalt in Berlin, spezialisiert im Vereinsrecht, schreibt für den Verlag W. Wächter (Berliner Gartenfreund).