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Verfasst am 01.01.2014 um 13:00 Uhr

Alles meins oder wem gehört was?

Die Rechtsverhältnisse an Baulichkeiten und Aufwuchs


Die auf einer Kleingartenparzelle vorhandenen Baulichkeiten und Aufwuchs stehen immer wieder im Fokus rechtlicher Auseinandersetzungen. Auffällig dabei ist oftmals die Unkenntnis der Beteiligten bezüglich der Frage, wer die rechtliche Verantwortung für die vorhandenen Baulichkeiten und Aufwuchs trägt. Erfreulicherweise hat der BGH in seiner Entscheidung vom 11. April 2013 – III ZR 249/12 – unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung sowie in Ergänzung seiner Entscheidung vom 21. Februar 2013 – III ZR 266/12 – die Rechtslage für alle Beteiligten noch einmal verdeutlicht.


Die Rechtslage

In der Regel gehören Gebäude und Aufwuchs zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks (§ 94 BGB), so dass der Grundstückseigentümer

zugleich Eigentümer der auf dem Grundstück vorhandenen Baulichkeiten und Aufwuchs ist und rechtlich für diese Sachen die Verantwortung trägt.


Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 95 BGB durchbrochen. Werden Baulichkeiten und Aufwuchs nur „zu einem vorübergehenden Zweck“ mit dem Grundstück verbunden, wird der Grundstückseigentümer nicht Eigentümer dieser Sachen. Vielmehr wird derjenige Eigentümer der Baulichkeiten und des Aufwuchses, der die Baulichkeiten errichtet beziehungsweise die Anpflanzungen gesetzt hat. Wird ein Grundstück vom Grundstückseigentümer an einen Pächter verpachtet, gilt nach Ansicht des BGH eine gesetzliche Vermutung dafür, dass sämtliche Baulichkeiten, die der Pächter während der Pachtzeit errichtet oder sämtlicher Aufwuchs nur für seine eigenen Interessen während der Dauer des Pachtverhältnisses eingebracht werden. Der BGH stellt unter Berufung auf seine früheren Entscheidungen zum Kleingartenrecht fest, dass die von einem Kleingärtner eingebrachten Baulichkeiten und Aufwuchs als bloße „Scheinbestandteile“ nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers übergehen, sondern im Eigentum des Kleingärtners verbleiben.


Nach Auffassung des BGH wird diese Vermutung nicht schon dadurch entkräftet, dass die Baulichkeit in einer massiven Bauart errichtet wurde. Ebenso entfällt diese Vermutung nicht schon durch die Dauer des Vertrages. Vielmehr wäre es erforderlich, dass der Kleingärtner bei der Einbringung von Baulichkeiten und Aufwuchs den Willen hat, diese bei Beendigung des Pachtverhältnisses in das Eigentum des Verpächters bzw. eines dritten Grundstückseigentümers fallen zu lassen. Ob ein derartiger Wille besteht, richtet sich nach dem Inhalt des abgeschlossenen

Unterpachtvertrages.


Hat also ein Kleingärtner nach Abschluss des Unterpachtvertrages Baulichkeiten selbst errichtet bzw. Aufwuchs selbst gesetzt oder bei Abschluss des Unterpachtvertrages vom früheren Kleingärtner gegen Zahlung eines Entgelts übernommen, ist der betreffende Kleingärtner selbst Eigentümer dieser Sachen. Er ist folglich für diese verantwortlich und darüber hinaus verpflichtet, sie bei Beendigung des Unterpachtvertrags

zu beseitigen. Der Räumungsanspruch des Verpächters gemäß § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 581 Abs. 2 BGB, § 4 Abs. 1 BKleingG, umfasst neben der Übergabe der Kleingartenparzelle auch die Entfernung von Baulichkeiten und Aufwuchs, die der Kleingärtner eingebracht oder von
seinem Vorpächter übernommen hat. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Kleingärtner vertraglich verpflichtet hat, diese Sachen auf den Verpächter oder vom nachfolgenden Kleingärtner zu übertragen.


Bei der Bewertung kommt es nicht darauf an, ob Baulichkeiten und Aufwuchs der kleingärtnerischen Nutzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG dienen oder nicht. Diese von einem Kleingärtner eingebrachten Bestandteile sind selbst dann zu entfernen, wenn sie der kleingärtnerischen Nutzung entsprechen.


Klargestellt wurde vom BGH weiterhin, dass der Verpächter im Unterpachtvertrag regeln kann, dass Entschädigungszahlungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Baulichkeiten und Aufwuchs auf den neuen Unterpächter über den Verpächter abgewickelt werden müssen. Eine derartige vertragliche Regelung stellt sicher, dass scheidende Unterpächter von neuen Unterpächtern nicht unter Ausnutzung deren Unerfahrenheit überhöhte Zahlungen verlangen.


Der BGH hat in seiner Entscheidung nochmals betont, dass Kleingärtner in vorformulierten Vertragsbedingungen verpflichtet werden können, die von ihnen eingebrachten Baulichkeiten und Aufwuchs zu entfernen und die gesamte Kleingartenparzelle umzugraben, wenn aus Anlass der Beendigung des Unterpachtvertrages ein neuer Bewerber nicht gefunden wird. Diese Konsequenz trifft einen Kleingärtner vor allem dann, wenn
er mit überzogenen Entschädigungsvorstellungen selbst dafür sorgt, dass seine Kleingartenparzelle nicht kurzfristig neu verpachtet werden kann.


Fazit
Kleingärtner sind aus Anlass der Beendigung des Unterpachtvertrages gut beraten, wenn sie bei der Abwicklung ihres eigenen Unterpachtvertrages vertrauensvoll mit den Bezirksverbänden zusammenarbeiten, um eine kurzfristige Neuverpachtung der Parzelle zu ermöglichen. Hierzu gehört auch, dass die auf der Kleingartenparzelle vorhandenen Baulichkeiten und Aufwuchs zum Schätzwert und nicht zu „Fantasiewerten“ auf den neuen Pächter übertragen werden. Anderenfalls werden Bezirksverbände in der Zukunft verstärkt Wert darauf legen, vertragliche Möglichkeiten zur Beseitigung vorhandener Baulichkeiten und Aufwuchs gegenüber den scheidenden Kleingärtnern nach Maßgabe der BGH-Entscheidungen zu nutzen. 



Klaus Kuhnigk

Jurist des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V., Berliner Gartenfreund 1-2014

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