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Verfasst am 19.06.2015 um 13:00 Uhr

Zur Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes im Kleingärtnerverein/-verband


Seit dem 1. Januar 2015 gilt, teilweise mit Übergangsvorschriften, das Mindestlohngesetz (MiLoG), wonach ein gesetzlicher Anspruch auf einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde besteht. Teilweise gelten Ausnahmen, in denen eine spätere tarifliche Anpassung von Mindestlöhnen erfolgt.

Dieser Bereich kann jedoch für die hier interessierende Frage vernachlässigt werden.


Das Mindestlohngesetz gilt für alle Beschäftigungsverhältnisse und alle Arbeitgeber, das heißt auch für Kleingärtnervereine und -verbände, soweit sie

als Arbeitgeber auftreten.


Das Mindestlohngesetz sieht jedoch auch vor, dass bestimmte Personengruppen nicht erfasst sind. Dies betrifft nach § 22 Abs. 3 des Gesetzes die Vergütung von zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie „ehrenamtlich“ Tätigen.


Diese Regelung wirft die Frage auf, was der Gesetzgeber unter einer ehrenamtlich tätigen Person im Sinne des Mindestlohngesetzes versteht. Im MiLoG selbst ist hierauf leider keine Antwort zu finden.


Folgt man der strengen Definition des Ehrenamtes in § 27 Abs. 3 letzter Satz BGB, wonach der Vorstand eines Vereins unentgeltlich tätig ist, würde dies bedeuten, dass jegliche Vergütung von Vorstandsmitgliedern sowie anderen für den Verein tätigen Personen, die über reinen Auslagenersatz hinausgeht, nicht mehr ehrenamtlich wäre und demzufolge unter das Mindestlohngesetz fiele. Eine solche Betrachtungsweise

würde jedoch de facto zur Abschaffung des Ehrenamtes führen, da damit ein Großteil von im Verein Tätigen nach Mindestlohngesetz bezahlt

werden müsste.


Insbesondere durch den Deutschen Olympischen Sportbund wurde diese Problematik im Gesetzgebungsverfahren erkannt. Auf seine Initiative hin

wurde daher am 2. Juli 2014 ein Beschluss des zuständigen Bundestagsausschusses gefasst, der folgendes aussagt: „Die Koalitionsfraktionen sind mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales darin einig, dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter dieses Gesetz fallen. Von einer ‚ehrenamtlichen Tätigkeit‘ im Sinne des § 22 Abs. 3 MiLoG ist immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl

einzusetzen …“


Dieser Beschluss ist jedoch ausdrücklich nicht Gegenstand des Mindestlohngesetzes geworden, er gibt allenfalls eine Orientierungshilfe für die Auslegung des Begriffes der Ehrenamtlichkeit im Gesetz.


In der Literatur hat sich mittlerweile die Meinung heraus gebildet, dass in Vereinen bzw. Verbänden Tätige jedenfalls dann nicht unter das Mindestlohngesetz fallen, wenn sie nicht mehr als die steuerfreien Pauschalen gemäß § 3 Nr. 26 und 26 a Einkommenssteuergesetz

erhalten. Dies würde bedeuten, dass für den Kleingärtnerverein oder -verband tätige Mitglieder, egal ob Vorstände oder nicht, dann nicht unter das Mindestlohngesetz fallen würden, wenn sie lediglich die sogenannte Ehrenamtspauschale von 720 Euro jährlich beziehungsweise die

sogenannte Übungsleiterpauschale von 2400 Euro jährlich erhalten.


Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass bei Zahlungen an Vorstandsmitglieder, die über die „Ehrenamtspauschale“ hinausgehen, das Mindestlohngesetz ab dem ersten Euro anwendbar wäre, da hier der Grundsatz der Unteilbarkeit des Arbeitsverhältnisses gilt. In einigen wenigen Fällen, so etwa bei Fachberatern, die regelmäßig Schulungen durchführen, kann auch die sogenannte Übungsleiterpauschale anwendbar sein. Das bedeutet, dass bei jährlichen Zahlungen über den Betrag von 2400 Euro hinaus das Mindestlohngesetz zur Anwendung kommt.


In der Praxis bedeutet dies zunächst, dass bei Vorstandsmitgliedern oder anderen für den Verein tätigen Personen, die regelmäßig mehr als 60 Euro im Monat Aufwandspauschale erhalten, das Mindestlohngesetz zur Anwendung kommt.


Der Gesetzgeber sieht in diesem Falle zwei Verpflichtungen vor. Zunächst sind für alle Personen, die in den Bereich der sogenannten Minijobs fallen, also bis zu einem Betrag von 450 Euro monatlich, Aufzeichnungen über die tägliche Arbeitszeit zu führen. Hier verlangt das Gesetz, dass spätestens sieben Tage nach der erbrachten Arbeitsleistung eine von Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterzeichnete Aufstellung zu fertigen ist, die die genaue Arbeitszeit des Arbeitnehmers an den betreffenden Tagen auflistet. Pausenzeiten sind in Abzug zu bringen. Diese Aufstellung ist im Verein aufzubewahren und zwei Jahre für eventuelle Kontrollen vorzuhalten.


Als zweites wäre darauf zu achten, dass die pauschale Aufwandsentschädigung in diesen Fällen nicht unter 8,50 Euro je geleisteter Stunde liegen darf, da ansonsten eine Unterschreitung des Mindestlohns gegeben wäre. Erhält also etwa ein Vorstandsmitglied 100 Euro als monatliche Aufwandspauschale, dürfte er hierfür maximal elf Stunden und 45 Minuten tätig sein, da ansonsten der „Stundensatz“ unter 8,50 Euro fallen
würde.


Bei der Berechnung der „Arbeitszeit“ ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass Fahrzeiten vom Wohnort des Vorstandsmitgliedes zur Geschäftsstelle des Vereins/Verbandes nicht zu berücksichtigen sind, sondern lediglich die reine Tätigkeit im Verband selbst beziehungsweise im Auftrag des Verbandes an einem anderen Ort wie etwa die Teilnahme an Mitgliederversammlungen von Mitgliedsvereinen, Begehungen von Kleingartenanlagen oder Ähnliches.


In Kleingärtnervereinen und -verbänden ist also dringend zu empfehlen, bei allen Personen, die pauschale Entschädigungen über den reinen Auslagenersatz hinaus erhalten, zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob das Mindestlohngesetz einschlägig sein kann. Nach derzeitigem Kenntnisstand wäre dies immer dann der Fall, wenn die Ehrenamtspauschale oder aber die Übungsleiterpauschale überschritten wird.


Die Nichteinhaltung des Gesetzes, also insbesondere die Nichterfassung der geleisteten Arbeitszeit beziehungsweise die Unterschreitung des Mindestlohns sind im Übrigen strafbewährt. Hier können teils empfindliche Bußgelder gegenüber dem vertretungsberechtigten Vorstand, der für die Einhaltung des Gesetzes verantwortlich ist, verhängt werden. Auch können Vereinen und Verbänden bei Nichteinhaltung des Mindestlohngesetzes erhebliche Nachzahlungen von Lohnsteuern und Sozialabgaben drohen.


Dem Unterzeichner ist durchaus bewusst, dass die in diesem Beitrag beschriebene Situation für ehrenamtlich tätige Vorstände unbefriedigend ist.
Insofern wird der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde die Entwicklung der Auffassungen zum Mindestlohngesetz in der Literatur und der Rechtsprechung aufmerksam verfolgen und über die Publikationsmöglichkeiten des Bundesverbandes die Mitglieder unverzüglich informieren. Bis dahin sollten die in diesem Beitrag genannten Maßnahmen (Aufzeichnung und Einhaltung des Mindestlohngesetzes) durchgeführt werden, um Schäden von den Vereinen, Verbänden sowie den vertretungsberechtigten Vorständen abzuwenden. Gegebenfalls sollte Rat bei entsprechend qualifizierten Rechtsanwälten oder Steuerberatern eingeholt werden.



Rechtsanwalt Karsten Duckstein

Fakten, Informationen und Handreichungen für die Vorstandsarbeit im Berliner Kleingartenwesen, 2-2015

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