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Verfasst am 07.06.2017 um 12:14 Uhr

Zutritt und Besichtigung einer Kleingartenparzelle


Einführung 

Zwischen einem Kleingärtner und dem Verpächter von Kleingartenland kommt es gelegentlich zu rechtlichen Auseinandersetzungen, wenn es darum geht, auf einer Kleingartenparzelle Vertragsverstöße festzustellen. Zu diesem Zweck muss oftmals die Kleingartenparzelle und die Laube betreten werden, da eine Besichtigung von außen in der Regel nicht ausreicht, um den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Darüber hinaus treten Fälle auf, in denen ein Schaden (z. B. Wasserschaden, Brandschaden) auf der Kleingartenparzelle festgestellt wird und der Kleingärtner nicht erreichbar ist. In derartigen Fällen kommt es dann darauf an, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Kleingartenparzelle betreten werden darf.


1. Gesetzliche Grundlage

Das Betreten der Kleingartenparzelle sowie der Laube einschließlich einer Besichtigung sind im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Im BKleingG wird über § 4 Abs. 2 BKleingG auf die Vorschriften des BGB verwiesen. Das BGB wiederum enthält keine Vorschriften, die das Betreten oder die Besichtigung der Kleingartenparzelle ausdrücklich regeln. Lediglich im Wohnungsmietrecht gibt es im Bereich der Instandsetzung und Modernisierung Sondervorschriften, die auch ein Zutrittsrecht des Vermieters beinhalten. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich ein derartiger Anspruch „aus Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) sowie aus den Umständen des Einzelfalles ergibt.


Umgekehrt folgt aus der Werteentscheidung des Gesetzgebers, dass dem Kleingärtner grundsätzlich das Recht auf einen ungestörten Besitz des überlassenen Kleingartens einschließlich der Laube zusteht, dieses Recht aber wiederum den Schranken des § 242 BGB unterliegt. Folglich darf ein Verpächter von Kleingartenland die Kleingartenparzelle sowie die Laube nicht eigenmächtig betreten, weil dies eine verbotene Eigenmacht i. S. v. § 858 BGB darstellen und Abwehransprüche des Kleingärtners auslösen würde.


Aus diesem Regelungskontext leitet die Rechtsprechung ein Zutrittsrecht des Verpächters von Kleingartenland nur dann ab, wenn ein konkret begründeter Anlass vorliegt. Ein derartiger Anlass liegt immer dann vor, wenn Hinweise für eine Vertragsverletzung des Kleingärtners vorliegen. Derartige Hinweise liegen vor, wenn der Kleingärtner ohne Zustimmung des Verpächters der Kleingartenparzelle bauliche Veränderungen auf der Kleingartenparzelle vornimmt oder Bewirtschaftungsrückstände auf der Kleingartenparzelle zu verzeichnen sind. In beiden Fällen reicht eine Außenbesichtigung nicht aus, weil der konkrete Bauumfang nicht im Einzelnen feststellbar ist (welche konkreten Maßnahmen wurden ergriffen; welche konkrete Bauveränderung wurde vorgenommen; welche Materialien wurden verwendet; welche Anpflanzungen sind vorhanden; in welchem Pflegezustand befinden sich die einzelnen Anpflanzungen; in welchem quantitativem Umfang findet eine kleingärtnerische Bewirtschaftung statt usw.).


Ein berechtigtes Interesse zum Betreten der Kleingartenparzelle sowie der Laube kann auch dann bestehen, wenn begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kleingärtner die Laube zu Wohnzwecken nutzt. Hierzu genügt es, dass der Kleingärtner die Laube mit Wohnmerkmalen ausstattet, die auf eine Wohnnutzung hindeuten (z. B. Einrichtung eines Schlafbodens; Einbau von Küchengeräten ‑ insbesondere eines Herdes -; Einbau einer Dusche usw.).


Außerhalb eines Pflichtenverstoßes des Kleingärtners besteht ein berechtigtes Interesse des Verpächters auch dann, wenn der Kleingartenpachtvertrag durch Kündigung bzw. Tod des Kleingärtners wirksam beendet worden ist und die Kleingartenparzelle neuen Interessenten gezeigt werden soll.


Ein berechtigtes Interesse kann auch dann bestehen, wenn z. B. ein Wasserschaden eintritt, Vandalismusschäden an der Laube festgestellt werden, ein Brandschaden an der Laube entsteht, regelmäßig Ratten auf der Kleingartenparzelle gesichtet werden usw. Der Verpächter von Kleingartenflächen hat in derartigen Fällen ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Schadensursachen. Diese sind wiederum von Bedeutung, um festzustellen, welche vertraglichen Ansprüche der Verpächter gegenüber seinem Kleingärtner geltend machen kann.


2. Geltendmachung des Zutrittsrechts

Der Verpächter von Kleingartenanlagen muss den Zutritt rechtzeitig vorher ankündigen. In der Regel hat dies mit einer Frist von mind. 24 Stunden zu geschehen. Dabei sind die ortsüblichen Besuchszeiten zu beachten. Hierbei handelt es sich in der Regel um Zeiten zwischen 10 Uhr und 18 Uhr. Allerdings kann ortsüblich hiervon abgewichen werden, vor allem dann, wenn die Kleingärtner vor Ort ihre eigenen Angelegenheiten auch in den Abendstunden oder an den Wochenenden regeln. Dann sind auch Besuchszeiten nach 18 Uhr bzw. an den Wochenenden zu den üblichen Zeiten der Kleingartenanlage zulässig.


Der Verpächter von Kleingartenanlagen muss Hinderungsgründe auf Seiten der Kleingärtner (z. B. Krankheit, starke berufliche Beanspruchung) nur dann hinnehmen, wenn ihm dies zumutbar ist. Der Urlaub eines Kleingärtners rechtfertigt im Regelfall nicht die Verschiebung eines Besichtigungstermins, weil der Kleingärtner bei längerer Abwesenheit sicherstellen muss, dass der Verpächter einer Kleingartenanlage in dringenden Fällen der Zutritt ermöglicht wird.


3. Selbsthilferecht des Verpächters

Ein eigenmächtiges Betreten der Kleingartenparzelle durch den Verpächter einer Kleingartenanlage kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht und zwar dann, wenn die Voraussetzungen für die Selbsthilfe nach § 229 BGB vorliegen. Dies wird nur dann der Fall sein, wenn Sicherungsmaßnahmen zugunsten des Kleingärtners ergriffen werden müssen, um drohende Schäden zu beseitigen, der Kleingärtner mit zumutbaren Mitteln nicht erreichbar ist und eine einstweilige Verfügung beim Gericht nicht rechzeitig erlangt werden kann, um die drohende Gefahr abzuwehren. Missachtet ein Verpächter diese gesetzlichen Vorgaben, kann er sich sogar strafbar machen.


4. Vertragliche Regelungen

In vielen Kleingartenpachtverträgen finden sich vorformulierte Regelungen zum Betreten von Kleingartenparzellen. Bei derartigen vorformulierten Regelungen ist zu beachten, dass sie gemäß den §§ 305 ff. BGB nicht zu einer unangemessenen Benachteilung des Kleingärtners führen. Dies ist allerdings dann der Fall, wenn der Verpächter von Kleingartenanlagen das Zutrittsrecht in einer Weise regeln will, die vom gesetzlichen Leitbild abweicht. Daher kann in vorformulierten Kleingartenpachtverträgen nicht geregelt werden, dass der Verpächter berechtigt ist, die Kleingartenparzelle ohne konkreten Anlass zu betreten. Auch können die Voraussetzungen des Selbsthilferechts durch derartige Regelungen nicht unterlaufen werden.



Klaus Kuhnigk

Jurist des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde e.V.