Alles, was Recht ist
zurück zur Übersicht
Verfasst am 12.03.2020 um 12:00 Uhr

Das Recht am eigenen Bild – und es hat „klick“ gemacht   

Beitrag von Sascha Rinker (Rechtsanwalt)   

Foto: Pixabay

A. Einleitung   


Ob auf einem vereinsrechtlichen kleingärtnerischem Seminar, einem kleingärtnerischen Gartenfest,  oder bei Mitgliederversammlungen; in der heutigen Zeit ermöglichen es Smartphones „bei jeder Gelegenheit“ ganz bestimmte Momente und Situationen jederzeit zu fotografieren, die Dateien auf dem Handy zu speichern und ggf. in sozialen Medien wie Instagram, Facebook, Twitter oder auf die eigene Homepage ins Internet „hochzuladen“ und zu verbreiten. Von dort aus können die angefertigten Bilder wiederum heruntergeladen und für nicht immer bekannte Zwecke verwendet werden. Ebenso werden Fotografien häufig in Vereinszeitschriften, Vereinschroniken und am „Schwarzen Brett“ verwendet und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 


Die Versuchung ist groß und die Hemmungen gering, die schönen Momente fotografisch festzuhalten und die verwendeten Motive anschließend zu nutzen, ohne sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die fotografierte Person damit überhaupt einverstanden ist. Das Recht am eigenen Bild als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des erkennbar Abgebildeten, das im sogenannten Kunsturhebergesetz (KUG) geregelt ist, soll verhindern, dass ohne Einwilligung  (= vorherige Zustimmung) des Abgebildeten Bildnisse verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden,  wobei es auch Ausnahmen gibt, bei denen keine Einwilligung der abgelichteten Person  vorliegen muss. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass grundsätzlich derjenige, der die Bilder ohne Einwilligung des Abgelichteten verwendet, beweisen muss, dass es sich bei seiner Darstellung um eine solche Ausnahme handelt. Wichtig ist auch, dass das bloße Anfertigen von Fotografien, die in der privaten Sphäre des Fotografen verbleiben, nicht unter das KUG fallen. 


In urheberrechtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass derjenige, der Fotografien veröffentlichen oder zur Schau stellen möchte die Urheberrechte des Fotografen zu beachten hat, also insbesondere die Nutzungsrechte der verwendeten Fotografien klären muss. Überdies sind daneben die datenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten.


Der Artikel soll anhand von Beispielsfällen aufzeigen, wie mit der Veröffentlichung und zur Schaustellung von Fotografien in kunsturheberrechtlich zulässiger Weise umgegangen werden muss, damit negative Folgen wie Unterlassungsansprüche, Schmerzensgeld und ggf. sogar eine Strafbarkeit vermieden werden können.


Wie immer gilt: Der Artikel ersetzt keine Rechtsberatung im Einzelfall, sondern soll typische Problemkreise aufzeigen. Eine Haftung wird daher nicht übernommen!


B. Fallbeispiele

Fall 1: Anwendbarkeit des Kunsturhebergesetzes
Der Vorstand V fragt seinen Rechtsbeistand R  danach, ob er auch im Hinblick auf das Anfertigen einer Fotografie des X im Rahmen einer Seminarveranstaltung das Kunsturhebergesetz zu beachten hat. Was wird ihm R hierauf antworten?

Antwort: Nein. Das KUG enthält keine Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten, also das Fotografieren an sich; lediglich die Veröffentlichung ist dort geregelt. Für das Anfertigen von Personenfotos gilt also uneingeschränkt die DSGVO, da es sich bei Abbildungen von natürlichen Personen um personenbezogene Daten im Sinne des Datenschutzrechts handelt. Zu beachten ist aber, dass das KUG neben der DSGVO anwendbar bleibt, wenn das Personenbildnis veröffentlicht oder zur Schau gestellt wird.

Fall 2: Begriff des Bildnisses
Das Vorstand des Kleingartenvereins C möchte ein Foto des im C allseits bekannten Kleingärtners X, der eine Ehrenurkunde in der Hand hält und ein T-Shirt des Vereins trägt, trotz des ausdrücklichen Widerspruchs des Kleingärtners nach dessen Austritt aus dem Verein auf der Vereinshomepage veröffentlichen, weil er es als sensationell gelungen  und als „Werbung“ für seinen Verein ansieht. Er geht davon aus, dass dies auch ohne Einwilligung des X möglich sein muss, wenn er die Augen des K auf dem Foto zuvor mit sog. Augenbalken beseitigt. Stimmt das?
Antwort: Nein. Ein Bildnis liegt vor, wenn eine Person dergestalt abgebildet wird, dass sie  von anderen erkannt werden kann. D.h. selbst die Verwendung von sog. Augenbalken beseitigt das Einwilligungserfordernis nicht, solange der Abgebildete erkennbar bleibt.

Fall 3: Einwilligungserfordernis beim Tod des Abgebildeten?
Der Kleingärtner K wurde vom dem Vereinsvorstand einer Kleingartenkolonie im Jahre 2011 auf seiner Kleingartenparzelle fotografiert, wie er gerade dabei war, seinen Garten vorbildlich zu bewirtschaften. Nunmehr im Jahr 2020 soll dieses Foto im Rahmen einer Printveröffentlichung des Vereins verwendet werden. Der K  ist zwischenzeitlich verstorben.  Ob eine Einwilligung zur Verbreitung in Printmedien des Vereins seinerzeit vorlag, konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden. Darf der Vereinsvorstand das Foto des K trotzdem in der Vereinspublikation abdrucken?

Antwort: Es kommt darauf an! Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige in diesem Sinne sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten. Sollte eine solche Einwilligung nicht eingeholt werden können, sollte von der Veröffentlichung abgesehen werden.

Abwandlung Fall 3: 
Die Angehörigen des verstorbenen K stellen dem Vereinsvorstand aus ihrem Fundus Bilder des K zur Verfügung. Worauf muss der Vereinsvorstand vor der Veröffentlichung im Hinblick auf das KUG achten?
Antwort: Er sollte die Angehörigen des K explizit darauf hinweisen, wo und zu welchem Zweck die überlassenen Bilder veröffentlicht werden und sich dies von den Angehörigen schriftlich bestätigen lassen, damit die Einwilligung der Angehörigen im Streitfall nachgewiesen werden kann.

Fall 4: Einwilligungserfordernis bei Minderjährigen
In einem Schaukasten der Kolonie K soll ein Bild des 7-jährigen Z veröffentlicht werden, auf dem dieser zu sehen ist, wie er auf einer Parzelle mit seinem Bagger spielt, um für ein anstehendes Kinderfest der Kolonie zu werben. Was hat der Kolonievorstand vor Veröffentlichung zu beachten?

Antwort: Er hat zu beachten, dass vor der Veröffentlichung die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter, in der Regel seiner Eltern eingeholt werden muss. Zudem muss der konkrete Verwendungszweck den Eltern mitgeteilt werden.

Fall 5: Fotos von der Menge einer Veranstaltung
Auf einer Fortbildungsveranstaltung des Bezirksverbandes X werden Fotografien von der Veranstaltung durch die Mitarbeiterin M angefertigt, wobei diese in die Menge hinein fotografiert und keiner der Teilnehmer „hervorsticht“. Diese Bilder sollen anschließend in einer Vereinszeitschrift veröffentlicht werden. Muss jeder der Teilnehmer vor der Veröffentlichung seine Einwilligung hierzu erteilen?

Antwort:  Nein. Bilder von Versammlungen oder solchen, auf denen Personen nur im Rahmen eines Gesamtvorganges dargestellt werden, können auch ohne Einwilligung der abgelichteten Teilnehmer veröffentlicht werden. Auch wenn bei genauem Hinsehen einzelne Teilnehmer identifiziert werden können, ist dies regelmäßig kein Problem.

Abwandlung Fall 5:
Der H drängt sich bewusst ins Bild bzw. posiert vor der Kamera, weil er gerne sein Gesicht in der Vereinszeitschrift sehen möchte. Eine schriftliche Einwilligung liegt nicht vor. Darf der Verein sein Bild veröffentlichen?
Lösung: 
Ja, eine Einwilligung wird auch dann vermutet, wenn sich eine Person im Bewusstsein fotografiert zu werden ins Bild drängt oder bewusst vor der Kamera posiert. Eine schriftliche Einwilligung ist nicht erforderlich.

Fall 6: Personen der Zeitgeschichte
Vorstandsmitglied V möchte im Rahmen einer  öffentlichen Diskussion auf dem Vereinsgelände ein Foto von dem ehemaligen Berliner Bürgermeister KW veröffentlichen,  der zur Diskussion eingeladen wurde und in der dieser sich mit einem Kleingärtner über die zukünftige Entwicklung der Kleingartenparzellen in Berlin unterhält. Benötigt er hierzu die Einwilligung des KW?

Antwort: Nein. Bei KW handelt sich um eine Person der Zeitgeschichte, da dieser Begriff keinen Vorgang besonderer historisch-politischer Bedeutung verlangt. Von dem Begriff werden alle gesellschaftlich relevanten Geschehnisse erfasst, solange sie noch zur Meinungsbildung beitragen. Da das Foto hier im Zusammenhang mit einer kleingartenpolitischen Diskussion steht, ist eine Einwilligung des KW nicht erforderlich. Dafür spricht auch, dass KW bewusst die Einladung des Vereins angenommen hat und damit rechnen musste, fotografiert zu werden. Liegt ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor, kann die Verbreitung nach Paragraf 23 Absatz 2 Kunsturhebergesetz dennoch zu unterlassen sein, wenn berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzt würden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts eintreten würde, dem Informationsinteresse jedoch auch durch eine reine Wortberichterstattung Genüge getan werden könnte. Hierfür ist nichts ersichtlich.

Fall 7: Abgebildete Personen als Beiwerke einer Landschaft oder Örtlichkeit
Gartenfachberater G fertig von der Nachbarparzelle ein Foto der gegenüberliegenden Parzelle, um zu dokumentieren, dass der Unterpächter die Kleingartenparzelle  nicht ordnungsgemäß kleingärtnerisch bewirtschaftet. Dabei bemerkt er nach Anfertigung des Fotos, dass sich im Hintergrund der Besucher B auf der Parzelle befindet. Darf er das Foto ohne Einwilligung an den Bezirksverband weiterleiten?

Antwort: Ja, da es bei der Abbildung erkennbar nicht um die Person als Motiv ging, sondern sie „aus Versehen“ bzw. durch  „Zufall“ oder „weil sie gerade dort war“ neben oder innerhalb der Parzelle abgebildet wurde. In diesem Fall muss das Recht am eigenen Bild hinter anderen Interessen zurückstehen. Eine wichtige Ausnahme von der Regel, Fotos von Personen nur mit deren Erlaubnis verbreiten zu dürfen, besteht also dann, wenn die abgebildete Person "nur als Beiwerk einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit" erscheint. Merkposten: Der Charakter der Aufnahme darf sich nicht verändern, wenn diese Person nicht zu sehen wäre. Bestehen Zweifel, ob dies so ist, sollte vorsorglich eine Einwilligung eingeholt oder auf das Veröffentlichen des Bildes verzichtet werden.

Fall 8: Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Vertragsverstößen, Beweisfotos von Mitgliedern des Vereinsvorstands
a) Grundfall
Der Bezirksverbandsvorstand B sieht in einem Naturschutzgebiet, wie eine andere Person ihren Hund trotz Leinenzwang frei herumlaufen lässt. Er fotografiert diese Person heimlich und erstattet unter Vorlage des von ihm angefertigten Fotos eine Anzeige wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit. Verstößt sein Verhalten gegen das KUG?
b) Abwandlung
B sieht wie der Unterpächter U verbotswidrig entgegen den Regelungen im Unterpachtvertrag mit seinem PKW die Wege des Koloniegeländes befährt und aus Bequemlichkeit vor seiner Parzelle parkt, um von dort aus Sachen in seine Laube zu laden. Um diesen Vertragsverstoß nachzuweisen, fertig er von ihm heimlich ein Foto und übergibt es den weiteren Vorstandsmitgliedern, die dann gegenüber B unter Vorlage des Fotos eine Abmahnung aussprechen. Da der U sein Verhalten nicht abstellt und er zwischenzeitlich noch weitere heimliche Fotos von U gefertigt hat, erfolgt die Kündigung des Unterpachtvertrages. In dem folgenden Räumungsprozess legt der B sein Beweisfoto vor. Erlaubt?


Antworten

a) Ja, jedenfalls nach der Ansicht des AG Bonn (Urteil v. 28.01.2014, Az.: 109 C 228/13), da die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nur der Verwaltungsbehörde und nicht einem „privaten Kontrolleur“ zustehe. Dafür spricht auch, dass § 24 KUG regelt, dass nur Behörden (z.B. Polizei, Verwaltungsbehörden) ausnahmsweise und ausschließlich für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit (z.B. Strafverhütung, Strafverfolgung) ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen Bildnisse vervielfältigten, verbreiteten oder öffentlich zur Schau stellen dürfen. Ein Verstoß kann als Straftat gem. § 33 KUG geahndet werden.

b) Nein, auch hier würde wiederum ein Verstoß gegen § 24 KUG vorliegen, da B nicht als Behörde handelte. Allerdings wird vertreten, dass das  zielgerichtete Anfertigen eines Personenfotos gerechtfertigt sein kann, wenn das Fotografieren ausschließlich dem Zweck diene, das Foto als Beweismittel in einem späteren Zivilprozess zu verwenden. Argumentiert wird damit, dass das Foto nicht angefertigt wurde, um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Verwendung im Rahmen des Prozesses führe dazu, dass lediglich ein begrenzter Personenkreis Einblick habe, so dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts sich in einem engen Rahmen halte, die in der Regel hinzunehmen sei. Eine gesicherte Rechtsprechung existiert hierzu nicht.

Fall 9: Folgen bei Veröffentlichung von Ablichtungen ohne erforderliche Einwilligung


G bittet den Verbandsanwalt K um eine rechtliche Beratung über die Frage, was sein Verein bzw. der Vereinsvorstand schlimmstenfalls zu erwarten hat, wenn er ohne erforderliche Einwilligung Ablichtungen von Kleingärtnern veröffentlicht. Was wird ihm K hierzu sagen?


Antwort:
R wird den G darauf hinweisen, dass mit folgendem gerechnet werden kann:

  • Nach § 33 KUG droht demjenigen, der wissentlich ein Bildnis ohne erforderliche Einwilligung verarbeitet oder zur Schau stellt, eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
  • Es besteht ein Unterlassungsanspruch des Abgelichteten
  • Gegebenenfalls besteht ein Schmerzensgeldanspruch des Abgelichteten
  • Anspruch des Abgelichteten auf Vernichtung des Bildnisses oder Herausgabe des Bildnisses gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung, höchstens jedoch in Höhe der Herstellungskosten (§§ 37, 38 KUG)


C) Fazit
Bei der Verbreitung und zur Schaustellung von Fotografien haben die Kleingartenvereine den rechtlichen Rahmen des Kunsturhebergesetztes zu beachten. Außerdem müssen sie daneben die rechtlichen Vorgaben des Datenschutzrechtes (DSGVO, BDSG) sowie das Urheberrecht prüfen und einhalten, um beurteilen zu können, ob das geplante Handeln rechtskonform ist.

Rechtsanwalt Sascha Rinker, Dipl. Jur. (Univ.)
Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht



Weitere Fachartikel zu Urheberrecht und Datenschutzgrundverordnung:

Urheberrechtliche Fragestellungen im Kleingartenverein

Öffentliche Aushänge und der Datenschutz